WARUM DOCH NICHT
Diese, die Herausforderungen gern haben
Du bist spät nach Hause gekommen. Ein wenig nach dreiundzwanzig Uhr. Ihr habt eine tolle Zeit gehabt. Wenn es morgen ein Ruhetag wäre, könntet ihr noch wenigstens zwei Stunden weitermachen. Es war herrlich, dass es ihnen schon zwei Jahre nach der Universität gelingt
Den Rhythmus des Lebens aus den Studienjahren zu bewahren. Na, dass folgt wahrscheinlich aus der Tatsache, dass ihr alle ungebunden lebt. Fast alle. Die eine Kollegin sollte ziemlich früh , sich um ihre Familie kümmern. Na, sie sollte besser aufgepasst haben. Selbstverständlich müssen wir auch die beiden Kollegen ausschließen, die im Ausland zu arbeiten beschlossen. Aber mit ihnen telefoniert ihr doch ab und zu. Wenn sie diesen Abend mit ihnen wären, würden auch sie von deiner Erzählung über den Weg nach Santjago Ergriffen werden. Du hast ihnen einfach erzählt, was du darüber gelesen hast, nachdem du jenes Gespräch zwischen zwei Damen im Cafe gehört hast. Nein, sie nehmen es nicht ernst. Jetzt gehst du schlafen, und Schluss damit.
Du konntest nicht einschlafen. Du hast nachgedacht. Sie nahmen deinen Vorschlag wirklich ernst an. Du bist dieser, der nicht spürte mit welcher Begeisterung jeder von ihnen, Pläne zu machen begann. Wie die Urlaube zusammenfallen sollen. Wie jeder die notwendigsten dreißig oder fünfunddreißig freien Tage sichert. Alle waren ernst. Irre dich überhaupt nicht! Nach ungefähr drei Monaten reist ihr ab. Noch morgen sollst du mit der Vorbereitung beginnen. Jetzt schlafe ein.
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Der zwanzigste August. Das war das Datum. Auf dem Flughafen landete ein frühes Flugzeug der italienischen Fluggesellschaft. Unter den vielen ankommenden wart auch ihr. Du, die Kollegin mit dem reizvollen Lächeln, der Gitarrist und der Kleine. Nur vier von der ganzen Gruppe. Es war nicht wichtig, ob die anderen tatsächlich verhindert waren , oder günstige Ausreden fanden. Wichtig war euer Enthusiasmus.
Du hast in dir die ganze Organisation konzentriert und zu dem Augenblick war sie einwandfrei. Zum Glück war dein Chef ein verständiger Mensch und es war nicht nötig in komischen Situationen zu geraten, um einen langen Urlaub bittend. Sogar unterstützten dich deine Kollegen und nahmen ohne Widerstand das Unterteilen deiner Verantwortungen an. Na, zumindest die Mehrheit von ihnen.
Die Kollegin, so nanntet ihr sie in der Universität noch, war ein ernstes und starkes Mädchen. Sie duldete keine Verwöhntheiten und schnitt jeden, der schmeichelte ab. Sie hatte ein Jahr in einer Firma im Bereich der Dienstleistungen gearbeitet. Sie bekam Genugtuung erst, wann sie ein eigenes Kleinunternehmen hatte. Für die Zeit ihrer Abwesenheit überließ sie die ganze Verantwortung ihrem nahestehenden Menschen, ihrem Vater.
Der Gitarrist, ihr nanntet ihn so wegen seiner musikalischen Schwärmerei. Bis zum Gymnasialabschluss unterhielt er mit noch vier Freunden seine Mitschüler, und sie träumten von der großen Bühne, aber das Leben habe sie getrennt. Er griff heute noch gern zu der Gitarre. Seine Stimme war noch gut und ihm gelang es die anderen auf sich aufmerksam zu machen. Ein unentbehrlicher Freund.
Der Kleine, man nannte ihn so, weil er ein Jahr früher zur Schule gegengen war und alle älter als er waren. Älter, aber nur an Jahren. Er hatte ein großartiges Gedächtnis und genaues logisches Denken. Nach Universitätabschluss bekam er zwei Arbeitsvorschläge von Firmen, für die alle Kollegen träumten. Er lehnte sie ab. Er war ein unabhängiger und freiheitsliebender Mensch. Er wurde in einer Firma, die sich mit Bildung beschäftigte angestellt. Er behauptete, dass es keine größere Vergnügung gibt, als dass Wissen mit den anderen zu teilen und es ihnen zu übermitteln. Ihr alle wart überzeugt, dass das vorläufig ist und dass er eines Tages ein Teil von etwas Bedeutendem sein wird.
Zarte Melodie eines Telefons. Wo bist du? Es ist dunkel, der Laut irgendwelches Telefons und irgendwelcher Schlafsack. Selbstverständlich ist das dein Schlafsack und du bist darin. Darin wirst du noch wer weiß wieviel Nächte sein. Guten Morgen. Steh auf und trödle nicht herum. Der Weg wartet auf dich.
Der Gitarrist wollte offensichtlich nicht aufstehen. Die Kollegin hat ihn gestoßen und ist ins Bad gegangen. Der Kleine grinste und weckte die anderen mit einem nicht so leisen “Good morning”. Der erste Tag. Etwas wie Frühstück und um sechs Uhr fünfzig wart ihr alle draußen.. Toll. Ihre Blicke verfolgen, wohin die Rücksäcke losgehen und ihr geht hinter sie. Solche Schönheit. Der Weg beginnt mit einem Pfad ins Gebirge. Es fehlte nicht an Scherzen und eine leichte Auseinandersetzung zwischen dem Gitarristen und dir. Er hat ein bisschen mehr Zeit zum Frühstück erwartet. Du bist ein schlechter Organisator. Klar. Das erste Cafe auf dem Weg erwartet euch. Damals wusstet ihr nicht, dass das nämlich am ersten Tag irgendwann um Mittag sein wird.
Das Wetter ist herrlich. Hoch im Gebirge spürt man keine Hitze. Die Schmerzen in den Beinen und im Rücken sind ein Hauptthema. Ihr trefft Leute mit sichtbar schweren Rücksäcken. Ihr vier spürt Freude über die schweren Entscheidungen,die Verwöhnungen zu Hause zu lassen. Die Regel, der Rücksack soll zehn Prozent von deiner eigenen Gewicht sein, arbeitet. Ihr überholt und grüßt. Kleine Rasten. Ihr geht gruppenweise. Ihr geht einzeln. Plätzchen mit fließendem Wasser bringen euch mit anderen Reisenden zusammen. Ihr tauscht Blicke, Grüße, Begeisterung, Anvertrauen der Müdigkeit. Ihr alle lernt. Ihr nehmt die Lehre des ersten Tages auf.
Frei zu sein. Niemals und niemals eine Abhängigkeit von etwas oder jemandem auf dem Weg deines Lebens zu stehen zuzulassen. Zu spüren, dass jeder erlebte Augenblick von dir gewünscht und im Synchronismus mit dir ist. Die Gedanken im Kopf laufen um die Wette, stoßen sich, stören sich zuerst . Die Tage wechseln sich ab und damit beginnen dieselben Gedanken sich zu ordnen. Sie befreien sich vom Falsch und dem Überflüssigen. Im Leben triffst du allein die Entscheidungen für dich selbst. Du realisierst sie. Du erreichst einen Erfolg in etwas und gleich suchst du ein neues Ziel, ein neues Projekt. Hier, auf dem Weg, hast du Zeit dich zu schätzen. Du hast dich nicht geirrt. Sogar in diesen Augenblicken, wann es nötig war zu verlieren im Namen des Ziels. Der Weg einer Entscheidung führt einzig zu ihrer Realisierung.
Auf dem Weg ist es leicht jemanden anzusprechen. Das gelang am meisten dem Kleinen. Jeden Tag wählte er sich einen Menschen oder eine Gesellschaft aus. Er sprach sie an. Er wurde ein Teil von einer Gruppe oder bildete eine Gruppe um sich herum. Heute hat er sich selbst übertroffen.. Er amüsierte sich. Im Cafe nach dem dritten Kilometer, beteuerte er einer Frau um die Vierzig, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass die dunklen Flecken auf ihren Händen eine Folge vom Trinken von Coca Cola sind. Die Dose blieb unausgetrunken. Die Frau gelobte, niemals mehr dazu zu greifen. Die Gesundheit oder die Schwäche der Gewohnheit? Die Gesundheit.
Es gab Leute, die einen Kontakt mit dem Kleinen suchten. Sie wollten mehr von ihm wissen. Erzählten von sich selbst. Sie vertrauten an. Das Anvertrauen gab Entschlüsse. Ein Junge und ein Mädchen erzählten stolz, wie sie selbst ihr Leben ausrichten, ohne die Hilfe der Eltern. Es sei schwer, aber wunderschön. Ein Mann um fünfunddreißig, Lehrer in einer großen Stadt, riet, wie man den Kindern die Möglichkeit geben soll, eine Wahl zu treffen. In Allem. Der Kleine war ein sehr guter Zuhörer. Er stellte auch Fragen. Immer, wenn er spürte, dass jemand das Gespräch nur in seiner eigenen Welt begrenzt, kontrierte er und ließ seinen Gesprächspartner nachdenkend, einen Ausgang oder eine Antwort suchend.
Auf dem Weg gibt es keine Wut und keinen Neid. Hier ist jeder bereit anzuvertrauen, zu helfen, den anderen zu verstehen. Es gibt auch keine Enttäuschung. In den Tagen, hier erlebt, findet er Lösungen der Fragen vom realen Leben. Es gibt keine Spannung, keinen Stress vom Mangel an Zeit oder wegen Verpflichtungen. Jeder hat seinen eigenen Sinn gefunden, ihn zu gehen.
Die kleinen Dörfer auf dem Weg. Sie sind dort. Sie erwarten die Pilger mit ihren gelben Pfeilen, kleinen Cafes, manchmal eine Bank, auf der du dich ausruhen kannst. Sich wechseln Häuser, in denen es Leben gibt und solche, die wieder Hausherren erwarten. Hausherren, die mit der Zeit nicht um die Wette eilen. Du siehst dich um. Gärten mit Obstbäumen. Manche nahe des Weges. Du beugst dich und nimmst eine Nuss, einen gefallenen Apfel oder Birne. Hier besteht das Leben aus der Ruhe. Wahrscheinlich eintönig und langweilig? Nein. Mit einer Empfindung für das Leben. Eine Frage der Entscheidung. Du beseitigst die Spannung und wirst von Gedanken erfüllt, von Zeit für die nahestehenden Leuten, von der Absage das Berauben der Individualität und die Einsamkeit der großen Stadt anzunehmen umfasst. Die Leute in den kleinen Dörfern haben Zeit für dich. Sie werden dich nicht einfach überholen. Sie werden grüßen. Die Einheimischen schätzen das, was sie haben. Sie zerstören nicht. Sie beschützen ihre Dörfer sauber und schön. Sie erwarten bemerkt zu werden und dass andere Leute wie sie hier ihr Haus finden.
Es war eine gute Fete. Die Gitarre lag auf einem der Tische. Sie gelang wie von sich selbst in den Händen des Gitarristen. Allmählich füllten sich die Küche und die Tische mit Leuten. Sie teilten gerade zubereitetes Essen. Jemand hatte mehr Pasta, ein anderer hatte Eier im Überfluss. Eine ältere Frau hatte schnell eine Gemüsesuppe zubereitet. Der Kleine bot einen Salat an. Es fehlte auch nicht an Wein. Manche sangen mit dem Gitarristen. Andere sangen leise auf ihrer Sprache mit. Der Raum füllte sich mit Emotionen und positiver Energie. An diesem Abend waren viele Fotos gemacht. E-mails und Telefonnummern wurden getauscht. Eine positive Energie füllte das Alberge. Es bestanden keine Grenzen aus Nationalität, Sprachen, Alter, Prinzipien. Ein Mann um die fünfundfünfzig nahm die Gitarre. Erklang eine amerikanische Countrymusik . Applause. Der Gitarrist war glücklich. Er traf eine verwandte Seele. Das, was geschah war ein Traum. Die Träume aller diesen Leute trafen sich-kein Teil von irgendwessen fremden Regeln zu sein, unbeschränkt von der Etikette, den Dienstregeln, persönlichen Problemen. Sie waren frei sich selbst so zu äußern, wie sie in ihren Träumen waren. Es geht nicht darum, dass es keine Feten im Leben gibt. Hier brachte sie der Weg zusammen. Keiner dachte an den Schlaf. Alles endete, nachdem der Hosteliero erklärte, dass er die Lampen ausmacht.
Auf dem Weg gibt es auch eine andere Welt. Die Welt der Eitelkeit. Du bist überrascht, aber sie ist dort. Du verstehst es mit dem Verlaufen der Tage. Du tiffst Leute, die dich mit ihren Minirücksäcken einholen. Sie halten oft in den Cafes, bleiben dort länger. Sie gehen nach einem klaren Programm. Sie schlafen in Alberges, wo es an Bequemlichkeiten nicht fehlt. Sie bereiten ihr Abendessen nicht selbst, sie waschen ihre Kleider nicht von Hand. Es scheint, als ob diese Leute ihr graues Leben hier gebracht haben. Empfinden diese Leute den Geist von dem Weg ? Von der Kommersialisation hingerissen, bleben sie wahrscheinlich unberührt davon. Das macht sie nicht böse. Das entzieht ihnen die Möglichkeit das Verschiedene kennenzulernen. Vielleicht.
Die Kollegin ließ sich nicht mehr sehen. Genauer, wir sahen sie nicht mehr. Einen Morgen früh merkten wir sie in der Küche und danach verschwand sie. Ihr habt gescherzt, dass sie wahrscheinlich viel Energie vom vorigen Abend gesammelt hat. Mehr als eine Stunde Saß sie bei einer Flasche Wein mit einem Mann um die fünfunddreißig. Entweder war der Wein so gut, oder… Ihr habt sie in den nächsten zwei Tagen nicht gesehen. Der Kleine schlug gerade vor, sie anzurufen und hopp, hier war sie. Sitzt vor dem Alberge. Sie lächelt. “Hallo”. Nur ein hallo und nichts mehr. Ihr habt verstanden, dass entweder etwas passiert ist, oder es im Augenblick passierte. Ihr habt sie soviel Jahre gekannt. Dieser passive Blick bedeutete etwas.
Ihr habt euch einquartiert. Ein Abendessen. Der übliche Salat und Eier mit Bacon. Der Gitarrist öffnete eine Flasche Wein. Zum Wohl! Ihr trinkt in Stille. Der Augenblick kam. Er sei ein interessanter Mensch. Geschieden. Keine Kinder. Seit fast zehn Jahren beschäftigte er sich mit seinem eigenen Geschäft. Er ist hier,um allein mit sich selbst zu sein. Ja, er sei kein schöner Mann, aber es gebe irgendwelche Energie in diesem Menschen. Ihr hörtet zu und schwiegt. Ihr schwiegt, weil ihr für euch dachtet. Wohl wart auch ihr keine schöne Männer. Jeder fragte sich, was er in sich hat. Was das Kostbare in jedem von euch ist. Was solltet ihr suchen oder verändern. Sollt ihr etwas ändern? Es war ein stiller Abend.
Du gehst. Du spürst, dass du noch und noch mehr zurücklegen kannst. Du hältst im für den Tag geplanten Alberge nicht. Ja, du weißt, dass jene, die du bisher kennengelernt, mit denen du gesprochen, Freundschaft gemacht und ihnen anvertraut hast dort halten werden. Du gehst weiter. Du kommst spät an. Du triffst andere Gesichter. Es folgt ein neues Kennenlernen, neue Schicksale und Emotionen. Du bleibst mit diesen Leuten ein, zwei Tage. Du fragst dich “ Was nun „ ? Auf diejenigen, die du überholt hast zu warten ? Mit den gegenwärtigen weiterzugehen oder wieder dich zu beeilen? Der Gedanke an das Unbekannte gibt dir keine Ruhe. Er zieht dich voran. Du beeilst dich wieder. Du denkst dir, dass du die Gesichter, die du hinter dir gelassen hast nicht mehr sehen wirst.
Mit dem Näherkommen ans Endziel werden die Leute auf dem Weg mehr. Nicht alle können oder wollen die ganze Strecke zurücklegen. Welche ist die ganze Strecke? Es gibt keine Ausgangspunkte. Auf dem Weg wirst du Leute treffen, sich von zu Hause zu Fuß auf den Weg gemacht. Sie legen eintausend, zweitausend Kilometer zurück. Du wirst auch Leute Treffen, die zu Fuß dort zurückkehren, von wo sie losgegangen sind. Jeder Reisende trifft die Entscheidung, was er wünscht und was seine Seele braucht. Dü empfindest eine Verbindlichkeit mit dem Weg. Du und Er seid einig. Was wirst du machen, wenn diese Reise zu Ende ist? Wird sie dir fehlen? Fragen, deren Antworten jeder selbst entdecken soll.
Der Tag, wann du in Santiago de Kompostella eingehst. Du empfindest Freude, dass es dir gelungen ist. Du empfindest Angst von der Rückkehr in deinem realen Leben. Es gibt Nostalgie, fröhliche Grüße und Versprechen den Leuten, mit denen du gegangen bist zu schreiben. Zu telefonieren, oder Fotos zu schicken. Du bist überrascht, dass du um dich auch Leute siehst, von denen du dachtest, sie seien Tage hinter dir geblieben, oder sie seien Tage vor dir. Der Weg trennte und brachte euch zusammen, ohne die Begegnungen, die du erleben Solltest, die Möglichkeit, dich allein zu lassen,wenn es nötig war , wegzunehmen.
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Nach einer Stunde ist der Rückflug. Ihr sitzt still und wartet. Die Maschine wird euch In jenes Leben zurückschicken, das ihr gelassen habt und während der ganzen Zeit verändern wolltet. Du bist überzeugt, dass es jedem von euch gelingen wird. Auf seiner Art und Weise.
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Die Kollegin heiratete. Fern von der Heimat. Wenn ihr miteinander telefoniert, scheint es, dass sie glücklich ist. Der Kleine verreiste auch weit. Er schafft in einem Kollektiv mit Leuten, die denken, wie er. Der Gitarrist ist hier. Manchmal könnt ihr ihn in seinem Klub treffen. Er hat ihn zusammen mit einem Freund von der Kindheit geöffnet.
Und du? Du hast der Liebe geglaubt. Du bist dorthin aufgebrochen, wohin es dich immer gezogen hat. Die Reiselust. Buen Camino!
Palas del Rey 29.9.2015